Bei Stadt.Land.Klassik! spielt die Neue Philharmonie MV auf ihrer Tour durch Mecklenburg-Vorpommern diesmal Beethoven und Schubert. Unterstützt wird Orchesterleiter Andreas Schulz durch einen prominenten Heimkehrer. Mit Lutz Schumacher hat Sirko Salka gesprochen.
Neben dem Journalismus schlägt Ihr Herz für Klassische Musik. Bei den Konzerten im April kehren Sie nicht nur als Gastdirigent und Moderator nach Mecklenburg-Vorpommern zurück, sondern seit diesem Jahr sind Sie der alte und neue Geschäftsführer des Nordkurier. Wie kam es dazu, hatten Sie großes Heimweh?
Lutz Schumacher: Klares Ja! Mecklenburg-Vorpommern ist so ein wunderschönes Bundesland, da muss man Heimweh haben! In meinen zwölf Jahren beim Nordkurier habe ich Land und Leute lieben gelernt; das lässt einen nicht wieder los. Ich habe einen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern behalten, weil ich der Region über so viele Kanäle verbunden bin.
Viele Leser wissen es längst, dass der Nordkurier jetzt zur SV-Gruppe in Baden-Württemberg gehört, deren Geschäfte Sie seit zwei Jahren führen. Dort liest man die Schwäbische Zeitung. Welche Parallelen gibt es zum Nordkurier?
Lutz Schumacher: Mir geht es darum, die starke Verbindung der beiden Häuser selbst zu gestalten und dabei auch ein bisschen auf die Nordkurier-Gruppe zu achten. Daher macht es Sinn, dass ich als Konzerngeschäftsführer unsere wichtigste Außenstelle in Neubrandenburg persönlich leite. Regionale Medienunternehmen stehen vor großen Herausforderungen. In den Medien läuft ein starker Digitalisierungsprozess, der aufwendig, teuer und auch etwas schmerzlich ist.
In der neuen SV-Gruppe liegen Chancen, diesen Wandel gemeinsam gut zu managen. Wir glauben an das regionale und lokale Prinzip, wir sind spezialisiert auf die ländlichen Räume. Wir sind selbst Teil der Region. Das verbindet die beiden Medienhäuser. Unterm Strich sehe ich viele Vorteile in der Fusion.
Stadt.Land.Klassik! – wie alles begann … Lesen Sie hier: Mecklenburg-Vorpommern ist das Mutterland der Neuen Philharmonie MV
In der Vergangenheit haben Sie bei Stadt.Land.Klassik! bereits zwei Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven dirigiert. Diesmal ist die dritte Sinfonie dran, die Eroica. Wieso spielt die Neue Philharmonie immer wieder Beethoven?
Lutz Schumacher: Ich bin fasziniert von dieser Person, weil er ein Innovator in der Musik war. Ich halte Beethoven für den wichtigsten Komponisten. Und: Er war der erste freie Künstler. Mein Lehrer Andreas Schulz ist ein Beethoven-Kenner und -Liebhaber. Dass der mit Beethoven so oft um die Ecke kommt, ist auch klar. (lacht)
Andreas Schulz nennt die Eroica „die Sinfonie unter den Sinfonien“. Was macht den Reiz beim Dirigieren aus?
Lutz Schumacher: Ich habe großen Respekt vor der Sinfonie! Glücklicherweise habe ich das Werk schon einmal dirigieren dürfen. Trotzdem ist es eine Riesenherausforderung. Ich halte Beethovens Dritte für das wichtigste Musikwerk, das je geschrieben wurde.
Warum?
Lutz Schumacher: Die Sinfonie ist mit einem Schlag anders als alles, was davor geschrieben wurde. Genau genommen sind es zwei Orchesterschläge gleich am Anfang – nicht wie sonst üblich – am Ende eines Stückes. Damit sagt Beethoven: „Schluss mit dem Alten! Jetzt bricht eine neue Zeit an.“ Das war ein radikaler Ansatz: Die von Adel und Kirche geprägten Strukturen hat Beethoven mit der Sinfonie mal eben weggefegt. Ich würde sogar behaupten: Mit diesem Werk beginnt die Romantik.
Fünf Konzerte im April: Jetzt Karten für Stadt.Land.Klassik! sichern!
Woran merkt man das noch?
Lutz Schumacher: Plötzlich liegt eine ungeheure Bedeutung in der Musik. In der Romantik arbeitet der Komponist nicht mehr anlass- und auftragsbezogen für die Fürstenhäuser, sondern als freischaffender Künstler, der in die Musik seine Gedanken, Empfindungen und Emotionen hineinlegt. In dieser unmittelbaren und krassen Form war das damals neu. Das hört man der Musik an.
Diese Sinfonie ist ein Werk, an dem sich viele Komponisten abgearbeitet haben. Von Franz Schubert gibt es den Ausspruch: „Was kann man nach Beethoven noch schreiben?“ Ich glaube, das hat eine Generation von Komponisten verrückt gemacht. Was für ein gigantisches Werk! Und Beethoven hat ja noch ein paar von der Sorte geschrieben.
Die zweite große Sinfonie bei den insgesamt fünf Konzerten ist von Franz Schubert. Worauf dürfen wir uns da freuen?
Lutz Schumacher: Schuberts zweite Sinfonie ist eine durch und durch romantische Sinfonie. Typische Schubert-Musik, wunderschön mit tollen Melodien. Dafür hatte er eine Naturbegabung: Viele Volkslieder sind von Schubert komponiert worden. Mit 18 Jahren schrieb er diese Sinfonie, mit der er in die Welt hinaustritt und sagt: Jetzt bin ich autonom, jetzt kann ich die Welt wahrnehmen und etwas gestalten. Doch bei ihm gibt es immer eine zweite Ebene: Schubert war ein verzweifelter Mensch, der eine fürchterliche Kindheit hatte und mit nur 31 Jahren verstorben ist. Seine Abgründe schimmern in dieser Musik durch. Für mich ist das ein voll ausgereiftes Werk, da ist alles drin, was ihn ausmacht.
Diesmal wird es romantisch: Auf dem Programm der Konzertreihe Stadt.Land.Klassik! stehen Kompositionen von zwei Wiener Meistern. Lesen Sie hier: Stadt.Land.Klassik! startet mit großen Sinfonien in den April
Wie sind Sie zur Klassik gekommen – durch die Eltern?
Lutz Schumacher: In meinem Elternhaus wurde keine Klassik gehört. Ich habe die Musik in Eigeninitiative für mich entdeckt. Habe viele Jahre intensiv Akkordeon gelernt, später auch Klavier. Das klassische Element ist bei mir in der Schule zufällig entflammt, weswegen ich das so wahnsinnig wichtig finde, dass Kinder in der Schule mit klassischer Musik in Berührung kommen. Die beiden Stücke, die jetzt auf dem Programm stehen, sind mit die ersten Klassik-Erlebnisse, die ich hatte. Witzigerweise habe ich Schuberts zweite Sinfonie noch nie live gehört!
Dann wird es für Sie ein umso spannenderes Konzert. Wussten Sie, dass die Neue Philharmonie in MV jedem Grundschulkind ein Sinfoniekonzert ermöglichen möchte? Gab es so etwas bei Ihnen damals auch?
Lutz Schumacher: Das gab es bei uns zu Hause nicht. Mein Abitur habe ich im Ruhrgebiet gemacht. Dort am Gymnasium hatten wir ein Schulorchester, in dem ich gespielt habe. Das war eine tolle Sache. Ich kann nur sagen, ich finde das Schulprojekt der Neuen Philharmonie MV wichtig. Das gibt es nur in Mecklenburg-Vorpommern.
Was bewirkt das im besten Fall, wenn Schüler solche Konzerte erleben dürfen?
Lutz Schumacher: Im besten Fall ist das ein Erweckungserlebnis. Da reicht tatsächlich ein Konzert aus, dass man so von der Musik angetan ist und einen Zugang findet. Musik öffnet bei Kindern viele Potenziale. Das läuft in denselben Hirnregionen, in denen sich naturwissenschaftliche Dinge bewegen. Dass es an manchen Schulen heutzutage keinen regelmäßigen Musikunterricht mehr gibt, finde ich fürchterlich. Das ist nicht nur kulturell schlimm, sondern auch ein unglaublich verschenktes Potenzial.
Was hat Musik in Ihrem Leben bewirkt?
Lutz Schumacher: Für mich ist Musik weit mehr als ein Hobby. Es ist ein Zufluchtsort, eine Form von Meditation und Konzentration. Ich habe oft das Gefühl – ich habe ja einen recht anspruchsvollen, arbeitsintensiven Job –, dass ich das besser machen oder dass ich das überhaupt machen kann, weil ich gleichzeitig auch die klassische Musik habe. Ohne sie würde ich wahrscheinlich irgendwann verrückt werden.
Haben Sie je bereut, dass Sie Journalist und kein Musiker geworden sind?
Lutz Schumacher: Nein. Dirigent wollte ich tatsächlich werden. Aber dazu hätte ich seinerzeit eine anspruchsvolle Klavierprüfung schaffen müssen. Wenn ich heute zurückblicke, denke ich schon: Vielleicht wäre mein Leben als Profimusiker gar nicht so aufregend geworden. Das Dirigieren bleibt mein Hobby, der Hauptjob frisst schon viel Zeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Stadt.Land.Klassik! Die Termine und Tickets
Fünf Mal macht „Stadt.Land.Klassik!“ Ende April Station in unserer Region: Auftakt ist am Sonntag, 24.4., um 16 Uhr in der Luther-Kirche Eggesin. Am Montag, 25.4. folgt um 19 Uhr das Volkshaus Friedland, am Dienstag, 26.4. um 19 Uhr der Bürgersaal in Waren. Am Mittwoch, 27.4., geht es um 19 Uhr in die Sporthalle Südstadt in Anklam. Und zum Schluss wird am Freitag, 29.4., um 19 Uhr das „Historische U“ in Pasewalk angesteuert. Tickets gibt es unter Tel. 0800 2224030 und unter www.stadt-land-klassik.de
Von jeder verkauften Eintrittskarte spenden die Veranstalter drei Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in unserer Region.